Thomas72 Posted July 17, 2024 Posted July 17, 2024 Hallo zusammen Ich habe vor kurzen mit DCS mit der A 10 angefangen, und eine Frage zu den Seitenrudern. Laut dem Deutschen Lernabschnitt wird zum Kurven fliegen gesagt, das z.b in einer Linkskurve leicht mit den Seitenrudern gegen gelenkt werden soll. Ich kann dazu keine weiten Infos finden, kann mir jemand eine Antwort geben ? Vielen Dank 1
SteelPig Posted July 17, 2024 Posted July 17, 2024 (edited) Kurz gesagt kennt man das in der Luftfahrt unter dem Begriff "coordinated turn". Wenn du dein Flugzeug in die Kurve legst und ansonsten nichts tust, wird deine Nase gen Boden tendieren. Dies gleichst du aus indem du z.B. in einer Linkskurve leicht Ruder nach rechts gibst um die Nase wieder auf die Horizontlinie zu heben. Edited July 17, 2024 by SteelPig 1 1
Yurgon Posted July 17, 2024 Posted July 17, 2024 (edited) 4 hours ago, Thomas72 said: Ich kann dazu keine weiten Infos finden, kann mir jemand eine Antwort geben ? Erstmal ein paar Grundlagen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit (oder Richtigkeit - ich bin auch nur Sim-Pilot und kein Aerodynamiker). Wenn du das Flugzeug mit dem Querruder rollst und eine Kurve einleitest, wird der äußere Flügel etwas schneller von der Luft umströmt als der innere und erhält damit etwas mehr Auftrieb. Mit der Zunahme an Auftrieb geht eine Zunahme an Luftwiderstand einher. Beim inneren Flügel sehen wir das genaue Gegenteil (weniger Auftrieb und weniger Luftwiderstand). Das heißt, die Nase des Flugzeugs wird im Kurvenflug von den Flügeln nach außen gezogen. Diesen Zustand nennt man im Englischen einen "slip" oder "slipping turn". Damit trifft dann in der Folge Luftströmung seitwärts auf den Rumpf, was aerodynamisch ausgesprochen blöd ist, weil der Rumpf damit als riesige Luftbremse fungiert und man mehr Triebwerksleistung benötigt, um nicht abzubremsen. An dieser Stelle kommt das Seitenruder ins Spiel. Gibt man genau richtig Seitenruder in die Kurve hinein, verhindert man das seitwärtige Schlittern (also den "slip") und fliegt einen sogenannten koordinierten Kurvenflug ("coordinated turn"). Mit dem Seitenruder gleicht man also den Unterschied beim Luftwiderstand der Flügel in einer Kurve aus, oder besser gesagt man steuert damit gegen. Man kann allerdings auch zu viel Ruder treten und die Nase zu sehr in die Kurve drücken und den Effekt quasi auf die andere Seite des Flugzeugs verlagern, sodass nun die Rumpfseite auf der Kurvenaußenbahn seitlich von der Luft angeströmt wird; im Englischen nennt man dies einen "skid" oder "skidding turn". Woher weiß man nun, wie viel Ruder man treten muss? Das Problem löst für uns die gute, alte "Libelle", auf Englisch "turn and slip indicator". Das ist dieser leicht nach oben gebogene Streifen direkt unterhalb des künstlichen Horizonts in der A-10 (in vielen anderen Flugzeugen ist die Libelle an einer sehr ähnlichen Position), die einen Ball in der Mitte hat. Oder besser gesagt: Wenn der Ball in der Mitte ist, dann fliegt das Flugzeug ohne "slip" und ohne "skid" durch die Luft. Im Geradeausflug sollte das sowieso der Fall sein (man kann aber eine A-10 auch schön asymmetrisch beladen und damit einen Sideslip im Vorwärtsflug erzeugen), und idealerweise auch im Kurvenflug. Deine Aufgabe als Pilot ist es, immer so viel Ruder zu treten, dass der Ball in der Libelle immer genau zentriert ist. Vor allem bedeutet das, dass du beim Einleiten einer Kurve aller Voraussicht nach Ruder in Richtung der Kurve treten musst. Also, Rechtskurve = rechtes Ruder. Als einfache Merkhilfe sagt man im Englischen "step on the ball", also "tritt auf den Ball" - ist der Ball in der Libelle rechts, tritt man rechtes Ruder. Ist der Ball links, dann tritt man linkes Ruder. Und wenn man diesen Effekt kennt, weiß man wohin sich der Ball bewegen wird, bevor er es tut, und tritt schon vorher auf das Ruder und lässt es auch zur richtigen Zeit wieder los, sodass sich der Ball überhaupt nicht aus der Mitte herausbewegt. Das ist aber, soweit ich weiß, selbst für echte Piloten schon eine hohe Kunst und erfordert sehr viel Übung und Erfahrung. Wenn man will, kann man die Aerodynamik hier noch deutlich komplexer machen und sich noch anschauen, in welcher Richtung die Luft ganz genau über die Flügel strömt und was das für weitere Effekte nach sich zieht, aber da setzt mein Verständnis dann auch langsam aus. Die FAA erklärt die oben beschriebenen Effekte im Airplane Flying Handbook, konkret in Kapitel 3 "Basic Flight Maneuvers". Und jetzt, wo wir das geklärt haben, können wir es uns einfach machen: Das Stability Augmentation System (SAS) der A-10C kümmert sich nämlich für dich um die Turn-Coordination. Das SAS gibt beim Kurvenflug von sich aus Ruder, um die Kurve schön koordiniert und den Ball möglichst zentriert zu halten. Wenn du links auf dem SAS Panel die beiden YAW SAS Channels ausschaltest, solltest du in einer Kurve deutlich größere Ausschläge der Libelle sehen und je nach dem kannst du vermutlich sogar sehen, wie die Nase nach außen weggeht und das Flugzeug sich in einen Slip fliegt. Kleines Anekdötchen noch dazu: Der Slip führt nun dazu, dass der Flügel auf der Innenbahn schneller angeströmt wird. Und das bedeutet...? Genau, mehr Luftwiderstand und mehr Auftrieb. Beim Flügel auf der Außenbahn sehen wir das Gegenteil (langsamere Anströmung, weniger Luftwiderstand, weniger Auftrieb). Das Flugzeug hat nun also eine Tendenz, in die entgegengesetzte Richtung zu rollen, und in der Folge kommen wir dann in eine Kurve in die andere Richtung, rutschen dann aber direkt in einen neuen Slip herein, und das Ganze dreht sich wieder um. Dieser Effekt kann sich, je nach Flugzeug, immer stärker aufschaukeln und dazu führen, dass ein Flugzeug ständig von rechts nach links rollt und antizyklisch dazu nach links und rechts giert. Diesen Effekt nennt man "Dutch Roll" und der ist ziemlich unlustig. Deshalb haben ganz besonders Airliner und Frachtflugzeuge ebenfalls SAS oder ähnliche Systeme, um jeden Turn schön koordiniert zu fliegen und schon die Grundlagen für eine Dutch Roll am entstehen zu hindern, ohne dass die Piloten dazu die Pedale in irgendeine Richtung treten müssen, selbst wenn sie von Hand fliegen und eine Kurve am Steuerhorn oder Sidestick einleiten. Mentour Pilot hat eine tolle Erklärung dazu auf YouTube. Edited July 17, 2024 by Yurgon Dutch Roll ergänzt; "step on the ball" ergänzt. 3 5
Thomas72 Posted July 17, 2024 Author Posted July 17, 2024 Ganz vielen Dank für die ausführlichen Antworten, hat mir jetzt schon sehr weiter geholfen 1
MAD-MM Posted July 17, 2024 Posted July 17, 2024 @Yurgon mega gut Erklärung, da haben die meisten Piloten weniger Ahnung. Kleine Anekdote, die Querruder verändern aktive das Flügelprofil, eigentlich auch mit der Hauptgrund für den Slip. Das Kurven äußere Querruder geht nach unten verändert die Profilsehene bzw. den Radius vom Flügel gegen den Relativen Fahrtwind (Anstellwinkel) verursacht mehr Auftrieb deswegen geht der Flügel nach oben beim Rollen, aber auch gleichzeitig mehr Auftriebswiderstand was zum "Slippen" führt was die Nase richtung Kurvenaußenseite vom Flieger drückt. 1 Once you have tasted Flight, you will forever walk the Earth with your Eyes turned Skyward. [sIGPIC][/sIGPIC] 9./JG27
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